lunes, 17 de septiembre de 2018

Orestes und Pylades (Les Misérables)

Orestes und Pylades

Ich habe mich bei diesem Oneshot mehr am Buch orientiert, da diese Stelle für mich eine der Traurigsten in Les Mis ist. 

Ich hoffe es gefällt euch :)
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Enjolras rannte die Stufen hinauf, so schnell er konnte. Um ihn herum war alles zerstört. Schmutz und zerstörte Möbel flogen umher. Er merkte, wie ein Holzsplitter seine Jacke und das Hemd zerrissen und spürte einen stechenden Schmerz, doch er versuchte es zu ignorieren. Er musste ein Zeichen setzen. Ein Zeichen für seine gefallenen Kameraden.

Combeferre, einer seiner engsten Freunde, durchbohrt von drei Bajonetten. Enjolras hatte gedacht, dass nicht einmal Tausend es geschafft hätten, Combeferres Herz anzuhalten. 

Courfeyrac, erschossen, noch als er die Fahne in der Hand hielt. Ein Kämpfer bis zum Ende.

Jetzt war er der Einzige, der noch aus der Führung der Gruppe übrig war. Doch wen konnte er anführen? Sie alle waren bereits gegangen. Bossuet, Joly, Bahorel, Feuilly, sogar Gavroche. Sie hatten nicht zurückgeschreckt, ein Kind zu erschießen.

Jean Prouvaire, einer der treusten Freunde des ABC. Es war Enjolras‘ Schuld gewesen, dass er gestorben war. Er hatte zu langsam reagiert. Er hatte auf die Menschlichkeit vertraut. Daran, dass auch die Nationalgardisten an eine Revolution glaubten, doch er hatte sich getäuscht.

Grantaire. Wahrscheinlich war er auch tot. Gefallen, wie alle seiner Kameraden.
Enjolras kämpfte sich weiter nach oben. Er war in einem der oberen Räume angekommen indem ein Billardtisch stand. Er zog ihn in die Mitte des Raumes und stellte sich selbst an die Wand, sodass der Tisch eine Abgrenzung zwischen ihm und der Tür bildete.

Er musste nicht lange warten. Eine Gruppe Nationalgardisten stürmte in den Raum. Er hörte leises Flüstern, doch es war ihm egal. 

„Er ist der Anführer.“, rief nun einer der Gardisten. „Er hat den Artilleristen getötet. Wo er steht, steht er gut und soll er bleiben. Wir werden ihn sofort erschießen.“
Enjolras lächelte matt. An diesem Tag waren auch viele der Kameraden dieses Gardisten gestorben. Er und Enjolras unterschieden sich nicht. Sie hielten beide an ihrer Überzeugung fest und waren zornig, verzweifelt und traurig über den Tod von Menschen, die ihnen viel bedeuteten. Nur das der Gardist eine Waffe hatte.

Enjolras schleuderte den Rest seines Karabiners weg und breitete die Arme ein Stück aus.

„Erschießt mich.“, sagte er und in seiner Stimme lag nicht die Spur von Unsicherheit oder Angst.

Er sah dem Ende entgegen und nahm es stolz an.

Ein Dutzend Mann stellten sich vor ihm auf und richteten die Gewehre auf ihn. „Legt an!“

„Warten.“, rief ein Offizier. „Soll man Ihnen die Augen verbinden?“

Enjolras schaute stur geradeaus als er antwortete: „Nein.“

„Haben sie den Artilleriesergeanten getötet?“

„Ja.“

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Grantaire wachte unsanft auf. Langsam realisierte er, was um ihn herum geschah. Er hörte Schüsse, Holz zersplittern, Schreie.

Er richtete sich schnell auf und verspürte hämmernde Kopfschmerzen. Sie wurden jedoch von dem schrecklichen Gefühl verdrängt, dass er den Kampf versäumt hatte. Er hatte ihn verschlafen. Nicht einmal die Kanonenschüsse hatten es vollbracht, ihn zu wecken. 

Er hielt sich den Kopf und schaute sich ungläubig um. Das konnte nicht wahr sein. Er hatte so sehr versucht zu zeigen, dass er doch zu etwas gut war. Das er dazu gehörte und in entscheidenden Momenten zeigen konnte, dass er nicht nur ein Säufer war.

Doch er hatte versagt.

Auf einmal war es vollkommen still. Die Schreie und Schüsse waren verstummt. Das Einzige, was man vernehmen konnte, waren Schritte. Schritte ganz in der Nähe.
Grantaire wankte aus dem Raum und sah hastig um sich. Er wusste nicht, wo er hin sollte. Durch eines der Fenster konnte er das Chaos erkennen. Er sah einige seiner Freunde, die bewegungslos draußen lagen, neben toten Soldaten.

Sein Blick fiel auf einen der Räume in der Nähe, dessen Tür offen stand. Dort hatten sich einige Gardisten versammelt, die Waffen im Anschlag. Ihnen gegenüber stand Enjolras. Seine Jacke und das Hemd waren zerrissen, jedoch wirkte er ansonsten mehr oder weniger unverletzt. Er stand da, ohne Waffen, jedoch mit einem Ausdruck des Stolzes.

Grantaire beschleunigte seinen Schritt. Er wusste nun genau, wo er hinmusste. 
„Es lebe die Republik!“, rief er, als er den Türrahmen des Raumes erreicht hatte.

Die Gardisten drehten die Köpfe zu ihm und auch Enjolras richtete den Blick auf ihn.

„Es lebe die Republik!“, rief Grantaire noch einmal und drängte sich in den Raum.

Mit starrem Blick auf Enjolras ging er auf ihn zu. Vorbei an den Gardisten, direkt auf den Mann zu, den er verehrte, den er liebte, der ihn immer zurückgewiesen hatte. 
Jetzt entdeckte er einen neuen Ausdruck in den klaren, blauen Augen. Einen, nach dem er sich so lange gesehnt hatte.

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Grantaire war nicht tot. Dieser Gedanke erfasste Enjolras. Grantaire ging einfach an den Gardisten vorbei. Direkt in die Schusslinie. Zu Enjolras.

In seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Kampfeslust und Stolz. Sein Verstand war nicht vom Wein getrübt. Er war klar und ließ den Mut in Grantaire zum Vorschein kommen. Mut, sich dem sicheren Tod zu stellen. 

Grantaire war einer der Menschen gewesen, von dem Enjolras immer gedacht hatte, dass sie vor einem Kampf davon laufen würden. Dass sie dem Tod immer davon liefen. Doch nun stand dieser Mann vor ihm.

In Enjolras‘ kaltem Herzen regte sich etwas. Er sah nun in Grantaire nicht mehr den Trinker, den Taugenichts, sondern den Kämpfer, der für eine Sache zu sterben bereit war. 

„Erschießt zwei auf einmal.“, sagte Grantaire, als er bei Enjolras angekommen war.

In seiner Stimme lag ein bestimmter Ausdruck, ein Endgültiger. 

Er wandte sich zu Enjolras und lächelte, dieses schiefe Lächeln, wie er es immer tat.

„Erlaubst du?“

Enjolras erwiderte das Lächeln und hielt seinem Freund die Hand hin. Über Grantaires Gesicht huschte kurz ein überraschter Ausdruck, doch dann nahm er Enjolras‘ blasse Hand. Dieser drückte sie kurz und atmete leicht erleichtert aus.
Dann schallten die Schüsse und ein überwältigender Schmerz erfasste Enjolras. Er taumelte nach hinten und fiel gegen die Wand. Dann rutschte er langsam nach unten und es wurde allmählich dunkel vor seinen Augen. Seine Lider fielen zu, doch er war noch wach. Er konnte sich nicht bewegen. Sein Atem ging flach und brannte in seinen Lungen.

Er hörte Schritte, die immer leiser wurden und dann setzte der Tumult des Gefechts wieder ein. Er hörte neben seinem eigenen langsamen Atem noch einen Schnelleren, der Grantaire gehören musste.

Enjolras dämmerte langsam weg, doch bevor sein Herz endgültig versagte, spürte er, wie seine Hand gedrückt wurde und eine leise Stimme seinen Namen sagte.
Mit letzter Kraft öffnete er noch einmal die Augen. Neben ihm lag Grantaire. Einige seiner Locken hingen ihm ins Gesicht und verdeckten die dunklen Augen, die Enjolras direkt ansahen.

„Ich…bin froh-“ Grantaire hustete. „neben dir zu-“ Seine Stimme brach ab.

„Ich bin auch froh, Grantaire.“, brachte Enjolras hervor. 

Grantaire nickte leicht und dann fielen seine Augen zu. Enjolras klammerte sich an seiner Hand fest, so als wäre sie das Einzige, was ihn in dieser Welt hielt. Was ihn am Leben hielt. 

Seine Lider schlossen sich wieder und er atmete nur noch stoßweise. Doch anstatt Dunkelheit umhüllte ihn nun Licht und er hörte eine leise Musik. Eine, die förmlich ‚Rebellion‘ schrie. Er sah die Gesichter seiner Freunde und Grantaire vor sich, der ihm die Hand hinhielt. 

So lagen sie nebeneinander. Ein nüchterner Orestes und ein betrunkener Pylades.

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