martes, 23 de junio de 2015

VERDI'S OTHELLO: GERMAN KALBECK AUDIO



At last... Verdi's Shakespearean opera with the German translation by Kalbeck (the one I use to practice my German with), in audio, on Youtube!!! Already in 1958, the translated version was still broadcast in the Germanosphere!!! Here's the libretto:


ERSTER AUFZUG 

Ein Platz vor dem Schlosse. Eine Schenke mit Lauben. Aussicht auf die Hafenanlagen und das Meer. 
Es ist Abend. Heftiger Orkan und Gewitter 

ERSTE SZENE 
Jago, Rodrigo, Cassio, Montano, später Othello. Zyprioten und venezianische Soldaten 

MEHRERE VOM CHOR 
Seht das Segel! 

ANDERE VOM CHOR 
Die Galeere! 

DIE ERSTEREN 
Eine Flagge! 

DIE LETZTEREN 
Eine Flagge! 

MONTANO 
Mit des Löwen Gestalt! 

CASSIO 
Böser Tanz auf dem Meere! 

ANDERE 
die hinzukommen 
Hört sie rufen! 

WIEDER ANDERE 
Notsignale! 

ALLE 
Die Kanone erschallt. 

CASSIO 
's ist das Schiff unsres Feldherrn! 

MONTANO 
Jetzt versinkt es, fortgezogen! 

CASSIO 
Wieder steigt es aus den Wogen. 

DER HALBE CHOR 
Bald im Nebel verschwindet es ganz, 
Bald erscheint's in gespenstischem Glanz. 

ALLE 
Rote Blitze flammen, 
Schrecklich rollt der Donner rings umher, 
Alles zittert, kracht zusammen, 
Und der Sturm zerpeitscht das Meer. 
Seine Rabenflügel 
Hat der Geist der Hölle ausgespannt, 
Hat des Himmels Lichter 
Ausgelöscht mit finstrer Hand. 
Durch den Rauch im roten Feuer 
Grinst sein fahles Angesicht, 
Und er steigt herab zur Erde, 
Die ihn kommen sieht mit Stöhnen. 
Wird sie aus den Fugen gehen? 
Ist verflossen ihre Zeit? Sie weiss es nicht. 
Furchtbar mit Posaunentönen 
Droht das Weltgericht. 

Vom Hintergrunde viele Weiber aus dem Volke 

ALLE 
mit Gebärden des Schreckens und ängstlichen Flehens nach dem Hafendamm gerichtet 
Gott, du hörst der Schwachen Flehen, 
Sei der Retter dieses Strandes! 
Nicht im Dunkel untergehen 
Lass den Stern des Vaterlandes! 
Unversehrt durch Sturm und Wellen 
Führst den Schiffer du nach Haus, 
Und er sieht die Nacht sich hellen, 
Wirft den treuen Anker aus. 

JAGO 
Entmastet ist das Schiff! 

RODRIGO 
Es muss zerschellen 
Dort an den Klippen! 

CHOR 
Zu Hilfe! 

JAGO 
für sich 
Gebettet 
Liegt er bald im sichern Schoss der Wellen! 

CHOR 
Gerettet! Gerettet! 

STIMMEN VON INNEN 
Das Boot heraus in Eile? 
Hand an die Seile! 
Vorwärts! 

ERSTER HALBCHOR 
Zu den Rudern! 

ZWEITER HALBCHOR 
die Ufertreppe hinabsteigend 
Her zum Strande! 

STIMMEN VON INNEN 
In den Hafen, auf die Treppe! 

ANDERE STIMMEN VON INNEN 
Am Lande! 

OTHELLO 
von der Treppe auf den Hafendamm steigend mit Gefolge von Seeleuten und Soldaten 
Freut euch alle! Dem stolzen Türken haben 
Die Fluten dort ein weites Grab gegraben. 
Was den Waffen entrann, ertrank im Meere. 

ALLE 
O, Heil Othello! Ruft ihm Heil und Ehre! 

Othello geht ins Schloss, gefolgt von Cassio, Montano und Soldaten 

CHOR 
Der Feinde Gemeinde 
Ertrunken, versunken, 
Begraben im Meeresschoss, 
Bedeckt von der Flut! 
Es sausen und brausen 
Die Wellen mit Schwellen, 
Die Winde verkünden euch, 
Wer unten dort ruht. 
Viktoria! 

CHOR 
Von dannen zieht das Wetter. 

JAGO 
beiseite zu Rodrigo 
Rodrigo, sag', was meinst du? 

RODRIGO 
Sterben möcht ich ... 

JAGO 
Der ist ein Narr, der sterben will aus Liebe. 

RODRIGO 
Nicht trag ich's mehr. 

JAGO 
Was da! Sei klüger! 
Erwarte bessre Zeiten! 
Einige aus dem Volke errichten einen Scheiterhaufen. Neugieriges und unruhiges Gedränge 
Die schöne Desdemona, 
Die zarte Sehnsucht deiner stillen Träume, 
Wird nicht begehren immer nach den wulst'gen Lippen 
Des schwarzen Ungeheuers. 
Guter Rodrigo, als deinen besten Freund 
Darfst du mich betrachten. Nahe geht es mir, 
Was dein armes Herz bedrängt. Und wenn 
Ein schwankend Frauenwort nicht fester hält 
Als Mannesklugheit und bewährte Künste, 
Dann wiegst dein Liebchen bald in Armen du. 
Du zauderst, weil der Schein noch gegen mich? 
Ich hasse den Mohren ... 
Cassio tritt auf und vereinigt sich mit einem Kreise von Soldaten 
Der Ursprung meines Hasses, jener da, 
Weisst du ... 
auf Cassio deutend 
das aufgestutzte Offizierchen, 
Verdrängte mich vom Platz, von meinem Platz, 
Den ich in hundert ehrlich geschlag'nen Schlachten 
Verdiente. Das war das Werk Othellos. 
Der Platz füllt sich immer mehr mit gemeinem Volk an 
Ich bin der Fähndrich seiner Mohrenschaft geblieben. 
Von dem Scheiterhaufen qualmen dicke Rauchwolken auf 
Aber so wahr wie du Rodrigo bist, 
Ist's ausgemacht, dass, wenn der Mohr ich wäre, 
Ich andre lieber um mich säh' als Jago. 
Drum lass dir sagen ... 

Jago führt Rodrigo nach dem Hintergrunde. Die Flamme schlägt in die Höhe. Die Soldaten drängen sich um die Schenktische 

CHOR 
Während des beim Freudenfeuer angestimmten Gesanges behängen die Schenkendiener den Laubengang mit venezianischen Laternen verschiedener Farben, welche die Szene heiter beleuchten. Die Soldaten scharen sich an den Tischen, einige sitzen, einige stehen, plaudernd und trinkend 
Feuer der Freude! - Lustig erglühe, 
Wandle zum Tage - die düstere Nacht, 
Knistre und prassle, - lodre und sprühe, 
Schon sind im Herzen - die Flammen entfacht! 

O, wie sie schwärmen, - vom Geiste getrieben, 
Bunte Gestalten - in wechselndem Zug! 
Und sind es Mädchen, - zum ersten Lieben, 
Und sind es Falter, - zum letzten Flug! 

Brenne die Palme, - brenne die Zeder! 
Singe, mein Liebchen, - was liegt daran! 
Heute in Flammen - stehe mir jeder, 
Lodre zum Himmel - der Liebe hinan! 

Bald sind die Scheiter - glimmend versunken, 
Bald ist zerstoben - das heitere Fest, 
Hier noch ein Flämmchen, - da noch ein Funken, 
Und dann vorüber - und Asche der Rest! 

Das Feuer erlischt allmählich; der Sturm hat aufgehört. Jago, Rodrigo, Cassio und andere ihres Standes sitzen und stehen um einen Tisch der Schenke und trinken Wein 

JAGO 
Lass trinken uns, o Freund! 
Cassio zutrinkend 
Hier diesen Becher 
Unserem Hauptmann! 

CASSIO 
Ich trinke nicht. 

JAGO 
will Cassio einschenken 
Vom Besten! 'nen Schluck nur! 

CASSIO 
zieht sein Glas zurück 
Nein. 

JAGO 
Geh doch! Alles steht heut auf dem Kopfe! 
Ganz Zypern ist berauscht, und also ... 

CASSIO 
Lass mich! 
Mir tanzt das Hirn schon 
Von dem einen Becher. 

JAGO 
Du musst noch einen trinken. Auf das Wohl 
Desdemonens, des Othello Weib! 

CHOR 
Sie lebe! 

CASSIO 
erhebt das Glas und trinkt ein wenig 
Sie ist der Insel Zierde. 

JAGO 
leise zu Rodrigo 
Hörst du? 

CASSIO 
Es blühen 
Die Blumen, wo sie wandelt am Gestade. 

RODRIGO 
Und wie ist sie so sittsam! 

CASSIO 
Jago, 
Sing' etwas ihr zum Lobe! 

JAGO 
leise zu Rodrigo 
Hörst du? 
laut zu Cassio 
Nein, ich bin nur ein Kritiker. 

CASSIO 
Und sie ist über alles Lob erhaben. 

JAGO 
wie oben 
Da sieh nur diesen Cassio! 

RODRIGO 
Wie meinst du? 

JAGO 
immer aufreizender 
Hast du denn nicht gehört, 
Wie verwegen er spricht? 
Ihn hat der Jugend heisses Blut verraten. 
Ein gefährlicher Verführer, 
Der dir in den Weg tritt! 
Achtung! ... 

RODRIGO 
Was nun? 

JAGO 
Des Toren Unglück ist sein Rausch. 
Zu den Weinschenken 
He, Schlingel, schaffet Wein her! 

Jago füllt drei Becher an: für sich, Rodrigo und Cassio. Die Schenken warten mit Kannen auf 

JAGO 
mit dem Becher in der Hand; die Menge läuft neugierig zusammen 
Komm, liebes Becherlein, 
Blinke, ja blinke! 
Ehe das Leben uns 
Flüchtig verraucht! 

CASSIO 
zu Jago, den Becher in der Hand 
Ich armes Zecherlein 
Trinke, ja trinke! 
Die Reben geben uns, 
Was man nur braucht. 

JAGO 
zu allen 
Ein kleines Schlückchen kann 
Jeder vertragen, 
Wer's drauf will wagen, 
Trinke mit mir! 

CHOR 
Ein kleines Schlückchen kann 
Jeder vertragen. 
Ich will es wagen, 
Trinken mit dir! 

JAGO 
leise zu Rodrigo, auf Cassio deutend 
Das feinste Stückchen dann 
Siehest du hier! 
laut 
Nicht dünke weise dich, 
Trink dich gescheiter! 
Wer sich Gedanken macht, 
Ist nur ein Tropf! 

CASSIO 
von neuem trinkend 
Dreh ich im Kreise mich, 
Komm ich nicht weiter, 
Ach, was mich schwanken macht, 
Trag ich im Kopf. 

JAGO 
wie oben 
Ein kleines Schlückchen kann 
Jeder vertragen, 
Wer's drauf will wagen, 
Trinke mit mir! 

ALLE 
Ein kleines Schlückchen kann 
Jeder vertragen. 
Ich will es wagen, 
Trinken mit dir! 

JAGO 
zu Rodrigo 
Das feinste Stückchen dann 
Siehest du hier. 
laut 
Nur durch die Kehle geht 
Der Weg zum Herzen ... 
Seelchen, was zitterst du? 
Droht dir Gefahr? 

CASSIO 
den Becher schwenkend, ausser sich 
Was in der Seele steht: 
Freuden und Schmerzen ... 
trinkt 
Das ist ja klar ... 
taumelnd 
Das ist ja klar ... ich trinke ... 

ALLE 
lachen 
Ha, ha! 

CASSIO 
Ich Zecherlein trinke ... 
Ich armes Zecherlein ... 

JAGO 
zu Rodrigo, während die andern lachen 
Er ist total betrunken. Nun musst du 
Ihn in Händel gleich verwickeln. 
Er neigt zum Jähzorn, beleidigt dich, 
Und der Skandal ist fertig! 
So auch auf gute Art kannst du Othello 
Die erste Liebesnacht versalzen. 

RODRIGO 
entschlossen 
Zum Teufel, das will ich! 

MONTANO 
tritt auf und wendet sich zu Cassio 
Hauptmann, hört, auf dem Walle sollt 
Ihr Euern Dienst versehen. 

CASSIO 
schwankend 
So gehn wir! 

MONTANO 
Was seh' ich? 

JAGO 
Solcherart pflegt Cassio 
Zum Dienste sich zu stärken. 

MONTANO. 
Ich will's melden. 

CASSIO 
wie oben 
Betrachten wir die Wälle! 

RODRIGO 
dann alle 
Ha, ha! 

CASSIO 
Wer lacht da? 

RODRIGO 
herausfordernd 
Kannst du's verwehren? 

CASSIO 
auf Rodrigo losstürzend 
Wart', ich will dich lehren, du Schurke! 

RODRIGO 
sich verteidigend 
Betrunkener Flegel! 

CASSIO 
Verräter! Jetzt bist du verloren! 

MONTANO 
trennt sie mit Gewalt und wendet sich gegen Cassio 
Was wollt Ihr beginnen? 
Lasst, ich beschwör' Euch! 

CASSIO 
Dem spalt' ich den Schädel, 
Der mich zurückhält! 

MONTANO 
Worte eines Trunknen ... 

CASSIO 
Ich trunken?! 

Er zieht den Säbel aus der Scheide, Montano desgleichen. Wütender Anlauf, die Menge weicht zurück 

JAGO 
beiseite zu Rodrigo 
Höre: Eilig lauf' zum Hafen 
Und schreie, was du kannst: Ein Aufstand! 
Geh! Trage den Lärm zur Stadt 
Und lass zum Sturme die Glocken läuten! 

Rodrigo läuft davon 

JAGO 
ruft den Kämpfenden zu 
Kameraden, 
Steht von diesem bösen Streite ab! 

VIELE WEIBER VOM CHOR 
fliehend 
Nur fort! 

JAGO 
O Gott! Der edle Montano blutet schon! 

ANDERE WEIBER 
Hinweg! 

JAGO 
O schreckliches Wüten! Haltet! 

WEIBER 
Sie morden sich. 

JAGO 
zu den Umstehenden 
Will niemand hier verhindern 
Das wilde Gemetzel? 
So schreit doch um Hilfe, 
Ruft Zeter Mordio! 

STIMMEN 
auf und hinter der Szene 
Hilfe! 
Die Sturmglocken läuten
Hilfe! 


ZWEITE SZENE 
Othello, Jago, Cassio, Montano, Soldaten, Volk, später Desdemona 

OTHELLO 
mit Gefolge von Fackelträgern 
Hinweg die Schwerter! 
Die Kämpfenden halten ein. Montano lehnt sich auf einen Soldaten. Die Wolken beginnen sich zu zerteilen 
Holla, was gibt's? Bin ich bei Sarazenen? 
Oder ist Türkenwut in euch gefahren, 
Dass ihr blind euch zerreisst? 
Mein werter Jago, bei deiner alten Lieb' 
und Treue, rede! 

JAGO 
Ich weiss nicht ... 
Eben waren sie noch Freunde, 
Heiter und fröhlich ... aber plötzlich dann, 
Als ob ein feindlicher Stern 
Mit seiner Macht verwirrte ihren Geist, 
Ziehn sie die Schwerter 
Und stürmen aufeinander ... 
Die Beine hätt' ich gern verloren, 
Die hierher mich trugen! 

OTHELLO 
Cassio, wie vergassest so du deiner Würde? 

CASSIO 
Gnade ... Verzeiht ... ich kann nicht sprechen ... 

OTHELLO 
Montano ... 

MONTANO 
von einem Soldaten unterstützt 
Ist verwundet. 

OTHELLO 
Verwundet! ... Nun beim Himmel, 
Mein Blut gerät in Wallung! 
Kommt der Engel, der unsern Zorn 
In milde Sanftmut wandelt? 
Desdemona tritt auf, Othello geht ihr entgegen 
Wie? ... Desdemona, die Liebliche? ... 
Aufgescheucht aus ihren süssen Träumen? 
Cassio, Hauptmann bist du nicht länger. 

Cassio lässt den Säbel fallen, den Jago aufhebt 

JAGO 
den Säbel einem Offizier reichend 
Ha, das gelang mir! 

OTHELLO 
In Aufruhr ist die Stadt; drum gehe, Jago, 
Nimm ein paar Leute mit und stifte Ruhe! 
Jago ab 
Montano bringt zum Feldscher! 
Montano wird ins Schloss geführt, zu allen mit gebietender Haltung: 
Auch ihr andern geht jetzt nach Hause! 
Nicht vom Platze weich' ich, 
Bis alles ruhig nicht im Hafen! 

Die Bühne wird leer. Othello gibt den Fackelträgern einen Wink, sich zu entfernen. Er bleibt mit Desdemona allein 


DRITTE SZENE 
Othello und Desdemona 

OTHELLO 
Nun in der nächt'gen Stille 
Verliert sich jeder Ton. 
Das ist der Liebe Stunde, 
In ihrem Arm entschläft der trotz'ge Wille. 
Donn're die Schlacht, 
Gehe die Welt zu Grunde, 
Wenn nur von deinem Munde 
Dann winkt mein süsser Lohn! 

DESDEMONA 
Du mein herrlicher Held! Ach wohl mit Qualen, 
Mit verborgenem Seufzen, mit heissem Bangen 
Muss mein ängstliches Herz sein Glück bezahlen! 
Doch ist das Leid, hält mich dein Arm umfangen, 
In Lust vergangen. 
Wenn du erzählt von deinem wilden Leben, 
Von fernen Fahrten und von Not und Streit, 
Fühlt' ich beschwingt die Seele mir entschweben, 
Und unter mir versanken Welt und Zeit. 

OTHELLO 
Die Schild' und Panzer liess vor dir ich glänzen, ... 
Die Fahnen flattern, die Trompete klingt, 
Voran fliegt uns der Sieg mit goldnen Kränzen, ... 
Hinauf zum Wall! ... Der kühne Streich gelingt! 

DESDEMONA 
Du führtest mich in deiner Heimat Lande, 
Wo weit im Sonnenbrand die Wüste schweigt. 
Die Karawane liegt verweht vom Sande, 
Und aus dem Dunst der blut'ge Vollmond steigt. 

OTHELLO 
Dein Tränenblick gab Seele jenen Schatten, 
Dein Mitleid hauchte Glut den Toten ein, 
Das Paradies erschloss sich deinem Gatten, 
Und seine Stirn umstrahlt des Ruhmes Schein. 

DESDEMONA 
Da brannt' im dunkeln Antlitz dir ein Feuer, 
Vor dem beschämt zurück die Schönheit wich. 

OTHELLO 
Du liebtest mich um meine Abenteuer, 
Um deines Mitleids willen liebt' ich dich. 
Komme der Tod nun! Geh nicht auf mehr, Sonne! 
In diesem Augenblicke erfüllte sich mein Leben. 
Der Himmel hat sich aufgeheitert 
Mein übergrosses Glück macht mich erbeben, 
Ich fürchte Götterneid und Schicksalstücke. 
Die Zukunft liegt verschlossen, 
Doch was es Höchstes gibt, hab' ich genossen. 

DESDEMONA 
O dass uns Gott bewahre! 
Die Liebe wachse mit der Zahl der Jahre! 

OTHELLO 
Amen, sag' ich gerne, 
Ihr hört uns, ew'ge Himmelssterne. 

DESDEMONA 
Amen, ihr Sterne! 

OTHELLO 
lehnt sich auf eine Erhöhung des Hafendammes 
Ha, mir schwindelt es vor Wonne, 
Mich überläuft's, es zittern meine Glieder ... 
O küsse mich! 

DESDEMONA 
Othello! ... 

OTHELLO 
Küss mich wieder! 
blickt zum Sternenhimmel auf 
Schon wollen die Plejaden 
Des Meeres Saum berühren, 

DESDEMONA 
Ja spät zu Nacht ist's. 

OTHELLO 
Venus soll uns führen! 

Sie gehen, einander umschlungen haltend, auf das Schloss zu



ZWEITER AUFZUG 

Ein ebenerdiger Saal im Schlosse. Eine Wand mit grossen Fenstern trennt den Saal von einem weiten Garten. Ein Erker 

ERSTE SZENE 
Jago auf der einen, Cassio auf der ändern Seite des Erkers 

JAGO 
Gräme dich nicht! Ich wette drauf: 
In kurzem schon wieder hältst du 
Auf dem Schoss Bianca, den Schelm, 
Als wohlbestallter Kapitän, 
Das goldne Wehrgehenk zur Seite. 

CASSIO 
Lass doch die Scherze! 

JAGO 
Höre, was ich sage. Wissen musst du: 
Unsres Herren Herrin ist Desdemona. 
Sie kann alles machen. 
Gehe sie an, 
Dass ihre gute Seele sich dein erbarm', 
Und sie verschafft Pardon dir. 

CASSIO 
Doch wie sie sprechen? 

JAGO 
Des Mittags pflegt sie gern im Schatten 
Jener Bäume dort zu ruhn mit meiner Frau. 
Da warte ihrer, und erschlossen ist 
Der Weg zum Heil dir. Nütz' ihn. 

Cassio entfernt sich 


ZWEITE SZENE 
Jago allein 

JAGO 
Cassio mit den Augen folgend 
Geh nur! Ich kenn' dein Ziel. 
Denn dich regiert dein Dämon, 
Und der bin ich selber. Mich reisst 
Der meine fort, an den ich glaube, 
Als meine furchtbare Gottheit. 
Er verlässt den Erker, ohne weiter auf Cassio zu achten, der zwischen den Gartenhecken verschwindet 
Ich glaub' an einen Gott, der mich 
Zum Affen des eignen Selbst erzeugt. 
Weh, dass ich's glaube! Aus faulem Keime, 
Kot und Erdenstaube ward ich geschaffen. - 
Treu diesem Gotte, 
Mach' ich zum Spotte, 
Was dreist mit Ehr' und Tugend brüstet sich. 
Ja, also glaube ich. 
Ich glaub' auch an den Sohn; 
Den bösen Willen hat er 
Vom Vater schon empfangen, 
Und was er sich gelobt im stillen, 
Das wird er sicher auch erlangen. 
Zum dritten glaub' ich an den Geist 
Des Zweifels, der alles klar erkennt, 
Und jeden Trug des Teufels: 
Freundschaft, Liebe, Treue 
Beim wahren Namen nennt. 
Das ist mein Credo. 
Wir sind des Zufalls Narren 
Und tragen unsern Sparren 
Bis in das letzte Haus. 
Uns allen gibt der Tod 
Den bösen Nasenstüber, 
Und dann? ... ist es vorüber, 
Der dumme Spass ist aus. 

Man sieht Desdemona mit Emilia im Garten. Jago läuft geschwind zu dem Erker, wo Cassio Posto gefasst hat 

JAGO 
zu Cassio 
Cassio, sie ist da ... nur zu! ... 
Die Zeit ist günstig, eil' dich ... 
Desdemona kommt. 
Cassio geht auf Desdemona zu, begrüsst sie und nähert sich ihr 
Da ist er, er begrüsst sie, 
Geht jetzt näher - das muss Othello sehn! 
Mein feines Wagestück lass, Satan, 
Mir gelingen! ... 
Man sieht Desdemona mit Cassio im Garten vorübergehen 
Schon bereden sich beide ... 
Ihr schönes Antlitz neigt 
Sie gegen ihn mit Lächeln. 
Ein einz'ger Strahl genügt mir jenes 
Lächelns, 
Für immerdar Othello zu verderben. 
Nun fort ... 
Er eilt schnell nach dem Ausgang zur Rechten, bleibt aber plötzlich stehen 
Der günst'ge Zufall will mir helfen. 
Dort ist er schon ... wohlan denn, 
Frisch zu Werke! 

Er bleibt, ohne sich zu rühren, im Erker und blickt unverwandt in den Garten, wo Cassio und Desdemona stehen 


DRITTE SZENE 
Jago und Othello 

JAGO 
tut, als ob er den auf ihn zukommenden Othello nicht bemerke und mit sich selber spreche 
Mir gefällt's nicht. 

OTHELLO 
Was sagst du? 

JAGO 
Gar nichts ... Ihr hier? 
Ein Zufallswörtchen 
Nur entfloh den Lippen ... 

OTHELLO 
Wer ging da eben weg von meiner Gattin? 
War's Cassio? 

Beide treten aus dem Erker hervor 

JAGO 
Cassio? Nein ... Fort schlich er. 
Als er Euch sah, wie ein Sünder. 

OTHELLO 
Täusch' ich mich nicht, war's Cassio. 

JAGO 
Mein Gebieter ... 

OTHELLO 
Was willst du? 

JAGO 
Cassio ... Desdemona 
Hat er gekannt am Anfang Eurer Liebe? 

OTHELLO 
Ja. Doch wozu die Frage? 

JAGO 
's war nur so ein Gedanke 
Des Wahnes, sonst nichts Böses. 

OTHELLO 
Sag', was du wähntest, Jago. 

JAGO 
Und Ihr vertrautet Cassio? 

OTHELLO 
Oft bracht' er ein Geschenk, 
Einen Brief meiner Verlobten. 

JAGO 
In Wahrheit? 

OTHELLO 
Ja, in Wahrheit. Ist er nicht ehrlich? 

JAGO 
Ehrlich? 

OTHELLO 
Was hast du auf dem Herzen? 

JAGO 
Was soll ich, Herr, denn haben? 

OTHELLO 
Was soll ich, Herr, denn haben? 
Zum Teufel, wenn du nichts als mein 
Echo bist! 
Du hältst im Kerker deiner Seele 
Irgendein Ungeheuer. Wohl verstanden 
Hab' ich dein Flüstern. Mir gefällt's nicht. 
Sage mir, was du meinst. 
Du sprachst von Cassio, 
Dann zogst du deine Stirn in Falten. 
So rede doch ... bei deiner Liebe! 

JAGO 
Gut. Ihr wisst, dass ich Euch liebe. 

OTHELLO 
Deshalb will ich die Wahrheit hören, 
Klar und deutlich. 
Was du tief in der Seele 
Arges bewahrst an Gedanken, 
Lass es heraus aus der Kehle! 

JAGO 
Und hieltet in der Hand Ihr auch mein Herz, 
Ihr solltet dennoch nichts erfahren! 
Ganz nahe zu Othello mit leiser Stimme 
O wollet Euch vor Eifersucht bewahren! 
Sie ist die blinde, glatte Schlange, 
Die sich vom Blut des Herzens nähret 
Und sich im eignen Gift verzehret. 

OTHELLO 
O Not und Jammer! Nein. Es kann 
Mir ein Verdacht genügen nicht. 
Vor dem Zweifel will sehen ich, 
Und zweifl' ich, dann Beweise; 
Danach, wenn nichts mehr 
Zu bezweifeln bliebe, 
Verschwindet mit der Eifersucht 
Auch meine Liebe. 

JAGO 
mit dreister Miene 
Ein solcher Vorsatz 
Löst von meinen Lippen das Siegel ab. 
Nicht sprech' ich von Beweisen; nur 
Hochherziger Othello, gebt mir Achtung! 
Erforscht und prüft die Worte Desdemonens, 
Ein Wink kann ihre Treu' erweisen, 
Kann auch den Verdacht bestärken. 
Sie ist da. Gebet mir Achtung! 

Durch die breite Öffnung des Hintergrundes sieht man Desdemona wieder im Garten erscheinen, umgeben von Frauen, Kindern, cyprischen und albanesischen Seeleuten, welche ihr Blumen und andere Geschenke überreichen. Einige begleiten den Chorgesang auf der Mandoline "Guzla", andere mit kleinen Harfen 

CHOR 
im Garten 
Deiner strahlengebenden 
Augen sanftes Sprühen 
Lässt mit dem belebenden 
Blick die Blumen blühen. 
Schönheit will uns laben, 
Ihrem Hochaltar 
Bringen unsre Gaben 
Wir beseligt dar. 

KINDER 
Lilien auf den Boden streuend 
Mit Lilienstengelein, 
Benetzt von Tau, 
Entschwebten die Engelein 
Der Himmelsau'. 
Sie brachen die Blüten 
Mit reinen Händen, 
Um sie zu spenden 
Der schönsten Frau. 

FRAUEN UND SEELEUTE 
Zur Mandola klingen 
Soll der Freude Lied, 
Das auf leichten Schwingen 
Durch die Lüfte zieht. 

SEELEUTE 
Desdemonen Korallen und Perlenschnüre darbietend 
Lass dir gefallen 
Perlen, Korallen! 
Seiner Gebieterin 
Huldigt das Meer. 
Gleich der Erkorenen, 
Wellengeborenen, 
Kamst zum Gestade du, 
Bildnis der Gnade, du 
Herrlich daher. 

KINDER UND FRAUEN 
Zur Mandola klingen 
Soll der Freude Lied, 
Das auf leichten Schwingen 
Durch die Lüfte zieht. 

DIE FRAUEN 
Laub und Blumen streuend 
Für dich die Kränze hier, 
Welche wir wanden! 
Dir lacht die Sonne 
In Wonne, 
Dir leuchtet die Flur. 
Für dich zum Feste 
Das Allerbeste 
Empfingen im Lenze wir 
Von der Natur. 

KINDER UND SEELEUTE 
Zur Mandola klingen 
Soll der Freude Lied, 
Das mit leichten Schwingen 
Durch die Lüfte zieht. 

ALLE 
Deiner strahlengebenden 
Augen sanftes Sprühen 
Lässt mit dem belebenden 
Blick die Blumen blühen. 
Schönheit will uns laben, 
Ihrem Hochaltar 
Bringen unsre Gaben 
Wir beseligt dar. 

DESDEMONA 
Blumendüfte, 
Lenzeslüfte, 
Lind und weich! 
Allerwegen 
Heil und Segen, 
O wie bin ich so reich! 

CHOR 
Lebe du glücklich in Amors Reich! 

Othello und Jago hören dem Chor als stille Beobachter zu 

OTHELLO 
innig bewegt 
Ich dank' euch, süsse Lieder, ihr gebt 
Dem Herzen seinen Frieden wieder! 

JAGO 
(Wie gut zusammen Lieb' und Schönheit klingen, 
Hinein den schrillen Misston will ich bringen.) 


VIERTE SZENE 
Nach Beendigung des Chorgesanges küsst Desdemona etliche Kinder aufs Haupt, und die Frauen küssen den Saum ihres Kleides. Sie gibt den Seeleuten eine Börse. Der Chor entfernt sich. Desdemona kommt, von Emilia gefolgt, in den Saal und geht auf Othello zu 

DESDEMONA 
Von einem Manne, den dein Zorn getroffen, 
Bring' ich dir eine Bitte. 

OTHELLO 
Wer denn ist es? 

DESDEMONA 
Cassio. 

OTHELLO 
War er's, der unter jenen Bäumen dich 
Gesprochen? 

DESDEMONA 
Derselbe. Sein tiefer Gram, 
Sein herzlich Trauern hat mich ergriffen; 
Wenn der Gnad' er würdig, 
Will flehen ich für ihn, für ihn dich bitten. 
Verzeih ihm, Lieber! 

OTHELLO 
Nur jetzt nicht. 

DESDEMONA 
Wie? Du willst es mir versagen? 
Ach, vergib ihm! 

OTHELLO 
mit Strenge 
Nur jetzt nicht. 

DESDEMONA 
Woher doch dieser Ton in deiner Stimme? 
Was liegt dir auf der Seele? 

OTHELLO 
Mich brennt die Schläfe. 

DESDEMONA 
sie faltet ihr Taschentuch, wie um Othello die Stirn zu verbinden 
Bald wird vergehn der läst'ge Schmerz, 
Wenn ich mit diesem weichen Tuch 
Die Stirn umwinde. 

OTHELLO 
wirft das Taschentuch zur Erde 
Ich bedarf des nicht. 

DESDEMONA 
Ach, du bist schlecht gelaunt! 

OTHELLO 
So lass mich! 

Emilia hebt das Taschentuch vom Boden auf 

DESDEMONA 
Wenn unwissend, mein Gemahl, 
Ich mich vergangen, 
Lass nicht im Zorn mich gehen, 
Ein Wörtchen sag', ein lindes, 
Zum Troste deines Kindes, 
Du hörst sein schuldlos Flehen! 
Finster sind deine Mienen, 
Dein Blick mir abgekehrt, 
So bist du nie mir erschienen, 
Hältst du mich dein nicht wert? 
Gern will ich leiden, dienen, 
Nur sag', was dich beschwert! 

JAGO 
zu Emilia mit leiser Stimme 
Gib das Gewebe, 
Das du genommen. 

EMILIA 
ebenso zu Jago 
Wehe mir! Ich bebe 
Ängstlich beklommen! 

JAGO 
Was überlegst du, 
Wenn ich befehle? 

EMILIA 
Böses bewegst du 
In deiner Seele. 

JAGO 
Machst du kein Ende? 

EMILIA 
Ich halte rein 
Die treuen Hände. 

JAGO 
Das Tuch sei mein! 
Er packt Emilia heftig am Arme 
Hüte den Leib nur, 
Weh deinen Gliedern! 

EMILIA 
Darfst du dein Weib zur 
Sklavin erniedern? 

OTHELLO 
beiseite 
(Weil ich das Schmeicheln spare 
Und nicht vermag zu girren, 
Seh' ich sie straucheln, irren ... 
Vielleicht auch sind's die Jahre, 
Oder weil mir, dem Mohren, 
Nicht Anmut ward beschert! 
Was sie geschworen, 
Es ging verloren, 
Nur eine Sage 
Sind meine goldnen Tage, 
Verrat hat mich entehrt.) 

JAGO 
Denke der Mahnung, 
Tu, was ich sage! 

EMILIA 
Ängstliche Ahnung 
Macht, dass ich zage. 

JAGO 
Nicht eher ruhst du ... 

EMILIA 
Grausamer Mann! 

JAGO 
Her da! ... 

EMILIA 
Was tust du? 

JAGO 
Nur was ich kann. 
Mit einem Schlag auf die Hand hat Jago das Taschentuch Emilien entrissen 
Fahne der Fahnen, 
Du sollst im Spiele 
Den Weg mir bahnen 
Zum sichern Ziele! 

EMILIA 
Ihm in die Krallen 
Bin ich gefallen. 
Nichts kann erlösen 
Mich von dem Bösen! 

OTHELLO 
Hinweg ihr! Lasst mich allein! 

Desdemona und Emilia gehen ab 

JAGO 
leise zu Emilia, die im Begriff ist zu gehen 
Du schweigst wie das Grab. Verstanden? 

Jago tut, als ob er durch die Tür im Hintergrunde fortgehen wolle, bleibt aber vor derselben stehen 


FÜNFTE SZENE 
Othello. Jago im Hintergrunde 

OTHELLO 
sinkt ermattet auf einen Sessel 
Sie schuldig! Desdemona! 

JAGO 
betrachtet im Hintergrunde verstohlen das Taschentuch und steckt es dann sorgfältig in sein Wams 
Aus diesen Fäden will ich den Strick 
Für ihre Unschuld drehn, und schnell 
Das Tuch bring' ich in Cassios Hände. 

OTHELLO 
Mit Schaudern denk' ich's! 

JAGO 
Othello beobachtend 
Mein Gift beginnt zu wirken. 

OTHELLO 
Falsch gegen mich, ja, gegen mich! 

JAGO 
finster 
Tob' und schrei' nur! 

OTHELLO 
Entsetzlich!!! Entsetzlich!!! ... 

JAGO 
hat sich dicht hinter Othello geschoben - treuherzig 
Denkt nicht weiter dran! 

OTHELLO 
auffahrend 
Du?! Verräter, weiche!! 
An das Kreuz mich zu schlagen! ... 
Weh mir! ... Weit schlimmer als 
Die Untat selbst ist ihr Verdacht. 
Hab' ich von ihrer Lust geheimen Stunden 
In meiner Brust ein Ahnen je empfunden? 
Ich lebte heiter, arglos, war unwissend froh; 
An ihrem Götterleibe fand ich mein Entzücken, 
Auf ihrem Mund die Küsse nicht des Cassio, 
Nun aber ... nun, ach, fahre wohl für immer, 
Süsses Gedenken, Liebesrast und Ruh! 
Fahr wohl, glorreicher Krieg 
Mit Pracht und Schimmer, 
Flatternde Fahne, wiehernd Schlachtross du! 
Fahr wohl, du Braut der Wogen, stolze Galione, 
Fahr wohl auf ewig, du mein glänzender Sieg! 
Fahr wohl, Trompetenschall und Donner der Kanone, 
Dem Untergange neigt mein Stern sich zu! 

JAGO 
Ruhig, o Herr! 

OTHELLO 
Du Verruchter! 
Du sollst die Beweise mir geben, 
Sonst verwirkst du dein Leben. 
Dich rettet keine Flucht, 
Dir hilft kein Flehen, 
Beweise will ich klar und deutlich sehen. 
Kannst mehr du nicht bringen 
Als blossen Verdacht, 
Dann - bei der Wut, die du entfacht! - 
Soll die Hölle dich Teufel verschlingen! 

Er packt Jago und wirft ihn zu Boden 

JAGO 
Des Himmels Gnade schütze mich! 
Sich wieder aufrichtend 
Und also Gott befohlen! 
Euer Fähndrich nimmt Abschied. 
Möge die Welt an mir ersehn, 
Wie übel Treu und Ehrlichkeit fahren. 

Tut, als wolle er fort 

OTHELLO 
Nein.., verweile! Ehrlich bist du vielleicht! 

JAGO 
auf der Schwelle, zum Gehen gewendet 
Wahrlich, 
Ein Marktschreier möcht' ich lieber sein. 

OTHELLO 
Bei allen Göttern! Treu, so glaub' ich, 
Ist Desdemona, und glaub' auch, 
Dass sie's nicht ist. Dich glaub' ich ehrlich 
Und glaub' auch, dass du's nicht bist ... 
Beweise will ich, sichere Beweise!! 

JAGO 
zu Othello zurückkehrend 
O Herr, nur nicht zu hitzig! 
Ich stellt' Euch herzlich gern zufrieden, 
Soll ich sie gepaart Euch zeigen? 

OTHELLO 
Tod Gottes und Verdammnis! 

JAGO 
Seine Schwierigkeit hätt' es. 
Von welcher Sicherheit träumt Ihr, 
Wenn dieses edle Schauspiel 
Sich Eurem Blick entzieht? 
Und dennoch sag' ich: 
Es gibt noch andre Mittel, 
Und mit den stärksten Gründen kann ich 
Euch dienen, die in kurzem Gewissheit 
Euch verschaffen. So höret: 

Zur Nachtzeit war es, 
Dass ich und Cassio 
Im Zimmer lagen. 
Da leis im Schlummer 
Voll Liebeskummer 
Hört' ich ihn klagen. 
Vom Traum umfangen, 
Mit glühenden Wangen 
Seufzt' er und stöhnte, 
Wälzte die Glieder, 
Seufzte dann wieder, 
Und es ertönte: 
"O süsse Desdemona, 
Dass doch verborgen bliebe 
Unsere Liebe! 
Mög' ihr Entzücken 
Uns stets beglücken!" 
Nun schien das Traumbild 
Ihn zu verlassen. 
Mit zarten Ängsten 
Sucht er's zu fassen, 
Küsst' es mit Leiden 
Und sprach beim Scheiden: 
"Weh! dass an den Mohren 
Ich dich verloren!" 
Dann sank er wieder 
In tiefern Schlaf danieder. 

OTHELLO 
Ha! Welche Sünd' und Schande. 

JAGO 
Nur einen Traum erzählt' ich. 

OTHELLO 
Doch einen, der die Untat aufdeckt. 

JAGO 
Vielleicht dient dieser Traum zum Anhalt 
Uns für andre Zeichen. 

OTHELLO 
Die sind? 

JAGO 
Saht Ihr nicht manchmal 
In Desdemonens Hand 
Ein feines Tüchlein, gestickt mit Blumen, 
Dünner als ein Schleier? 

OTHELLO 
Ihr Taschentuch und meiner Liebe 
Allererstes Geschenk. 

JAGO 
Dasselbe Tüchlein gestern 
(Irr' ich mich nicht) 
Sah ich in Cassios Händen. 

OTHELLO 
O, dass er tausend Leben hätt' empfangen! 
Eines stillt nicht mein grausames Verlangen!! 
Jago, das Herz gefriert mir. 
Hinweg mit dir, die Mitleid heuchelt! 
Was noch in mir an Liebe war zu finden, 
Geb' ich so 
Er bläst über die Hand 
den Winden. 
Kommst du herangekrochen, 
Scheusslicher Drache? 
Ha! Rache! Rache! Rache! 
Er kniet nieder 
Bei des Himmels eh'rnem Dache, 
Bei dem Blitz, der niederfährt, 
Bei der schwarzen Nacht des Meeres, 
Bei dem Hass, der mich verzehrt, 
Bei dem Tode schwör' ich Rache. 
Was mein wildes Herz begehrt, 
Diese Hand, sie wird's erreichen! 

Er streckt die Hand zum Himmel empor 

JAGO 
Othello will aufstehen, Jago drückt ihn wieder auf die Knie 
Stehet noch nicht auf! 
ebenfalls niederkniend 
Zeuge sei die hohe Sonne, 
Deren Kraft mich wandeln heisst, 
Zeuge sei der Schöpfung Geist, 
Welcher rings das All umkreist, 
Dass ich der gerechten Sache 
Weih' die treue Manneshand, 
Wenn zum heil'gen, Werk der Rache 
Du mich ausgesandt! 

JAGO UND OTHELLO 
zusammen die Hände zum Schwur erhebend 
Bei des Himmels eh'rnem Dache, 
Bei dem Blitz, der niederfährt, 
Bei der schwarzen Nacht des Meeres, 
Bei dem Hass, der mich verzehrt, 
Bei dem Tode schwör' ich Rache. 
Was mein Herz begehrt, 
Diese Hand, sie wird's erreichen! 
Beim ewigen Gott!



DRITTER AUFZUG 

Hauptsaal im Schlosse. Zur Rechten ein breiter Säulengang, der mit einem kleineren Saal in Verbindung steht; im Hintergrunde des Saales ein Erker mit Balkon 

ERSTE SZENE 
Othello, Jago. Ein Herold 

HEROLD 
aus dem Säulengange zu Othello, der mit Jago im Saale sich befindet 
Von der Wache des Hafens wird 
Die Ankunft gemeldet der Galeere, 
Die her nach Zypern die Gesandtschaft bringt. 

OTHELLO 
zu dem Herold, dem er einen Wink gibt, sich zu entfernen 
's ist gut. 

Der Herold geht ab 

OTHELLO 
zu Jago 
Nun weiter. 

JAGO 
Hierher kommt Cassio; ich dring' in ihn mit List, 
Und er plaudert alles aus. 
Auf das Gemach im Erker zeigend 
Ihr bergt Euch dort. Gebt Achtung 
Recht genau auf seine Worte, 
Gebärden und Mienen. Nur Geduld ein wenig, 
Lasst Euch nichts merken ... ich gehe. 
Er entfernt sich, wie um fortzugehen, macht dann kehrt und nähert sich Othello 
Denkt an das Taschentuch! 

OTHELLO 
Geh! O wie gerne dächt' ich nicht mehr dran! 

Jago ab 


ZWEITE SZENE 
Othello, Desdemona von der linken Tür 


DESDEMONA 
noch auf der Schwelle 
Gott soll dich, Teurer, segnen, 
Den meinen Herrn ich heisse? 

OTHELLO 
geht Desdemona entgegen und nimmt sie bei der Hand 
Dank, edle Dame, reicht mir 
Die Hand, die schwanenweisse! Wie hab' ich 
Diese zarte und warme Hand so gern! 

DESDEMONA 
Noch blieben ihr die Spuren von 
Gram und Alter fern. 

OTHELLO 
Und doch wohnt hier ein Teufelchen 
Und wehe, wer gefallen, vertrauend auf 
Das Elfenbein, in seine scharfen Krallen! 
Dies Händchen sollst du fleissig 
Zu deinem Gott erheben ... 

DESDEMONA 
Mit dieser Hand auch habe ich Euch mein Herz gegeben. 
Und wieder nun von Cassio zu reden ... 

OTHELLO 
Mein altes Leiden will 
Noch immer nicht entschwinden; 
Lass mich die Stirn verbinden! 

DESDEMONA 
ein Taschentuch ziehend 
Sogleich! 

OTHELLO 
Nein. Dies ist mein Tuch nicht, 
Das ich gerne bei dir sehe. 

DESDEMONA 
Ich vergass es. 

OTHELLO 
Desdemona, wenn du's verloren! Wehe! 
Ein weises Weib hat heimlichen Zauber hineingesponnen, 
Und einen Talisman nennt sein, wer es gewonnen, 
Verlierst du's je, so möge sich deiner Gott erbarmen! 

DESDEMONA 
Du sprichst die Wahrheit? 

OTHELLO 
Die volle Wahrheit. 

DESDEMONA 
Dann weh mir Armen! 

OTHELLO 
Hast du es fortgegeben? 

DESDEMONA 
Nein ... 

OTHELLO 
Dann such' es. 

DESDEMONA 
Ach warte ... Ich such's hernach ... 

OTHELLO 
Nein, eilig! 

DESDEMONA 
Du willst mich nur betören, 
Um nichts von Cassio mehr zu hören! 
Ja, deshalb weichst du schlau mir aus. 

OTHELLO 
Beim Himmel! Ich halte mich nicht länger! 
Du schaffst das Tuch mir!! 

DESDEMONA 
O Gnade, Gnade für Cassio! 

OTHELLO 
Du schaffst das Tuch mir!!! 

DESDEMONA 
Mein Gott? Aus deiner Stimme 
Spricht Grimm und wilde Drohung! 

OTHELLO 
Den Blick erhebe! 

Er fasst sie mit Gewalt unterm Kinn und bei der Schulter und zwingt sie, ihn anzusehen 

DESDEMONA 
Was fällt dir ein? 

OTHELLO 
Sieh mir ins Auge! Sag' was du bist! 

DESDEMONA 
Das treue Gemahl Othellos. 

OTHELLO 
Schwör' es! Verdamm dich selber! ... 

DESDEMONA 
Du glaubst mich treu, Othello. 

OTHELLO 
Ich glaube dich treulos. 

DESDEMONA 
So helfe Gott mir! 

OTHELLO 
Lauf in dein Verderben, 
Sag', dass du rein bist. 

DESDEMONA 
die Augen fest auf ihn richtend 
Rein ... ich bin's ... 

OTHELLO 
Schwör's und verdamm' dich! 

DESDEMONA 
Ich bin erstarrt vor Schrecken, 
So furchtbar dich zu sehen, 
Aus dir spricht eine Furie, 
Ich kann sie nicht verstehen. 
O blick' durchs Auge tief in meine Seele 
Und sieh, dass ich dir nichts verhehle! 
Zum Himmel steigen 
Um dich des Herzens Klagen, 
Um dich die Erde tränk' ich 
Mit brennenden Tropfen hier. 
Siehe, die ersten Tränen fliessen 
Von den Augen mir! 

OTHELLO 
Säh' sie ein Teufel so, er möchte nicht 
An diesem Engel sich vergreifen. 

DESDEMONA 
Ihr Himmlischen kennt meine Treue! 

OTHELLO 
Die Hölle kennt sie. 

DESDEMONA 
Gerechtigkeit verlang' ich, 
O mein Gatte! 

OTHELLO 
Lass ab von mir, du Falsche! 
Entweich', entweiche! 

DESDEMONA 
Du auch weinest! ... In die Seele 
Scheint dir der Schmerz zu schneiden. 
Ach, unschuldig gab ich 
Den Grund zu deinen Leiden! 
Was denn verbrach ich! 

OTHELLO 
Du fragst noch? ... ist dein schwarzes Vergehen 
Doch eingebrannt auf deiner Lilienstirn zu sehen! 

DESDEMONA 
Weh mir! 

OTHELLO 
Wenn ich dich eine Dirne nennte? 

DESDEMONA 
Gott! nein ... bei der Taufe heil'gem Sakramente! ... 

OTHELLO 
Was? 

DESDEMONA 
Ich bin nicht, was deine Worte 
Mich ruchlos heissen. 

Othello nimmt Desdemona bei der Hand und geleitet sie zur Tür, durch welche sie eingetreten 

OTHELLO 
So reicht die schönste mir der Hände, 
Der schwanenweissen. Denn ich dachte, 
(Verzeiht die Laune meinem Hirne) 
Des Othello Gemahlin wäre nur' ne Dirne. 

Bei den letzten Worten nötigt Othello, an der Schwelle der Tür zur Linken angekommen, mit einer Beugung des Armes Desdemona fortzugehen. Dann kehrt er in die Mitte der Bühne mit dem Ausdrucke tiefster Niedergeschlagenheit zurück 


DRITTE SZENE 

OTHELLO 
Gott, warum hast du dieses Elend, diese Leiden 
Gehäuft auf meinen Scheitel? 
Von meinen Siegen und Triumphen muss ich scheiden! ... 
Alles ist eitel! 
Gern möcht' ich glauben, mein wäre die Schuld, 
Und gern die Plagen 
In Ruhe tragen, 
In deinen Willen fügen 
Mich mit Geduld. 
Doch - Gram und Schmerz! - der Spiegel meiner Wonne, 
Der mich bezaubert, brach in Stücke, 
Und mit verzerrten Zügen 
Wirft er in tausend Fratzen mein Bild zurücke! 
Ach! es erlosch die Sonne, 
Die strahlend zugelächelt mir in meinem Glücke! 
Dein gnädig Antlitz, Engel des Lichts, 
Verhüll' und schweige! 
Und aus der Tiefe steige 
Der finstere Geist des Gerichts! 


VIERTE SZENE 
Othello, dann Jago 

OTHELLO 
Ha, Tod und Teufel! Er muss alles 
Bekennen, und dann soll er sterben. Er 
Gesteh', gestehe! ... 
Jago tritt ein 
Jetzt Beweise! ... 

JAGO 
nahe zu Othello, auf den Eingang zeigend 
Cassio ist da! 

OTHELLO 
Da?! Himmel, dir dank ich!! 
Mit Schaudern 
O Pein! Unsel'ge Marter!! 

JAGO 
Geduld nur! da verbergt Euch! 

Er zieht Othello schnell in den Hintergrund zur Linken, wo der Erker sich befindet, läuft dann auf den Säulengang zu und stösst mit dem eben eintretenden Cassio zusammen 


FÜNFTE SZENE 
Othello, verborgen. Jago und Cassio 

JAGO 
Hierher! Hier stört uns niemand. 
Nun, Hauptmann, es geht vortrefflich. 

CASSIO 
Schuld ist dieser Titel, 
Dass es nicht gut mir geht. 

JAGO 
Nur Mut! Die Sache, 
Du weisst es ja, liegt in den besten Händen. 

CASSIO 
Ich glaubte Desdemona hier zu finden. 

OTHELLO 
versteckt 
(Er spricht von ihr.) 

CASSIO 
Ich hätte gern erfahren, 
Ob die verheissne Gnade sie erwirkte. 

JAGO 
heiter 
So warte! Inzwischen magst du mir 
Von deinen Schwänken erzählen, 
Denn du plauderst gerne. Sage, 
Wie steht's mit deiner letzten Flamme? 

Er zieht Cassio dicht an die vorderste Säule des Peristyls 

CASSIO. 
Mit wem? 

JAGO 
sehr leise 
Mit Bianca. 

OTHELLO 
(Er lacht schon!) 

CASSIO 
Torheit! 

JAGO 
Sie kann verliebte Äugelchen machen. 

CASSIO 
Das ist zum Lachen! 

JAGO 
Lachen und Siegen! 

CASSIO 
lacht 
Siegen und lachen - 
So halt ich's gerne: 
Nicht unterliegen, 
Ha, ha! 

JAGO 
wie oben 
Ha, ha! 

OTHELLO 
(O dieses Lachen 
Will das Herz mir zerschneiden! 
Nacht meiner Leiden, 
Dir leuchtet kein Stern!) 

CASSIO 
Die Küsse wollen 
Frisch nur mir schmecken. 

JAGO 
Seht mir den Kecken! 

CASSIO 
Sie mag sich trollen! 

JAGO 
Was Neues reizt 
Den lüsternen Herrn, 
Hab' ich's getroffen? 

CASSIO 
Ha, ha! 

JAGO 
Ha, ha! 

OTHELLO 
(O dieses Lachen 
Will das Herz mir zerschneiden! 
Nacht meiner Leiden, 
Dir leuchtet kein Stern!) 

CASSIO 
's ist meine Weise, 
Ich sag' es offen. 
Wisse ... 

JAGO 
sehr leise 
Reden wir leise, 
Ich höre. 

CASSIO 
sehr leise, während Jago ihn weiter von Othello fortzieht; nur einzelne Worte sind zu verstehen 
Jago, es hausen ja 
Wand an Wand wir ... 
. . . . . . . 
. . . . . . . 

Die Worte verlieren sich 

OTHELLO 
nähert sich mit Vorsicht, um besser zu hören 
(Jetzt gibt er Kunde 
Von Ort und Stunde ...) 

CASSIO 
fährt fort mit leiser Stimme zu erzählen 
. . . . 
Von fremder Hand mir ... 
. . . . . . 
Die Worte verlieren sich wieder 
. . . . . . 

OTHELLO 
(Nichts Gewisses vernahm ich ... 
Weh mir! Ich lauschender Tor! 
Ach, wohin kam ich?!) 

CASSIO 
. . . . . . 
Ein Prachtgewebe ... 
. . . . . . . 
wie oben 

JAGO 
Sehr seltsam, so wahr ich lebe! 

OTHELLO 
(Jetzt schleich ich näher, 
Jago winkt dem Späher.) 

Langsam und vorsichtig schleicht sich Othello Schritt für Schritt, von den Säulen gedeckt, näher an die beiden heran 

JAGO 
leise 
Von einer Fremden? 
laut 
Possen! 

CASSIO 
In Wahrheit. 
Jago bedeutet Cassio, noch weiter leise zu reden 
Wenn ich nur wüsste, 
Wer's dort verloren!? 

JAGO 
Othello schnell von der Seite anblickend - zu sich 
(Er spitzt die Ohren.) 
zu Cassio mit lauter Stimme 
Wo hast du's? 

CASSIO 
zieht das Taschentuch der Desdemona aus dem Brustlatz 
Sieh nur! 

JAGO 
das Taschentuch nehmend 
Ein wahres Wunder! 
beiseite 
(Othello lauert, 
Und er fängt Feuer 
Wie mürber Zunder.) 
Er verneigt sich scherzhaft vor Cassio und hält die Hände auf dem Rücken, damit Othello das Taschentuch betrachten könne 
Ich gratuliere, 
Mein Herr, aufs beste. 
Seltene Gäste 
Kehren bei Euch ein. 

OTHELLO 
nähert sich, von der ersten Säule gedeckt, hinter Jagos Rücken dem Taschentuch 
(Ihr Tuch ist's! Kein Zweifel! 
O Tod und Teufel!) 

JAGO. 
(Othello lauert.) 

OTHELLO 
mustert, hinter der Säule versteckt, das in Cassios Händen befindliche Taschentuch auf das genaueste 
Fort auf immer mit Lieb und Pein! 
Das Herz gefror mir zu Eise. 
Verraten, ha, verraten! 
Die Beweise Sind klar wie Sonnenschein. 

JAGO 
zu Cassio, auf das Taschentuch weisend 
Siehe, dein Schätzchen Machte dies Ding, 
Dass in dem Netzchen 
Dein Herz sich fing. 
Wohl auf und nieder 
Zappelt's mit Bangen, 
Wird doch nicht wieder 
Hinausgelangen. 
Siehe, dein Schätzchen 
Machte dies Ding, 
Dass in dem Netzchen, 
Dein Herz sich fing'. 

CASSIO 
das Taschentuch betrachtend, das er Jago wieder abgenommen 
O zierliches Linnen, 
Wer mochte dich spinnen? 
Wer hat dich gewoben 
Mit emsigem Fleiss? 
Für Elfen ein Röckchen, 
Und gleich einem Flöckchen 
Vom Himmel da droben 
So duftig und weiss. 

Trompeten hinter der Bühne, dann ein Kanonenschuss. Othello ist in den Erker zurückgekehrt 

JAGO 
Horch, die Trompeten! Sie melden 
Die Ankunft der venezianischen Galeere. 
Drum fort jetzt! 
Trompetensignale von verschiedenen Seiten 
Rings von der Festung ertönen die Signale. 
Wenn du nicht willst, 
Dass dich Othello findet, so fliehe. 

CASSIO 
Leb' wohl denn! 

JAGO 
Fort! 

Cassio verschwindet schnell im Hintergrunde 


SECHSTE SZENE 
Jago. Othello 

OTHELLO 
sich Jago nähernd 
Sag', wie ermord' ich sie? 

JAGO 
Ihr saht und hörtet ihn doch lachen? 

OTHELLO 
Ja. 

Von Zeit zu Zeit Salutschüsse und Trompetensignale, die immer näher kommen 

JAGO 
Ihr saht das Tuch auch? 

OTHELLO. 
Alles sah ich. 

STIMMEN 
von aussen in der Ferne 
Hurra! 

STIMMEN 
Ans Ufer! 

STIMMEN 
Zu den Booten! 

OTHELLO 
Sie ist gerichtet. 
Schaff' ein wirksames Gift 
Für diese Nacht mir! 

STIMMEN 
näher 
Ein Hoch dem venezianischen Löwen! 

JAGO 
Wozu denn Gift?! 
Weit besser, Ihr erwürgt sie 
Dort in dem Bette, dort, wo sie gesündigt. 

OTHELLO 
Deine Gerechtigkeit gefällt mir. 

JAGO 
Für Cassio sorgt Euer Jago schon. 

OTHELLO 
Jago, zum Hauptmann 
Wirst du ernannt gleich auf der Stelle. 

JAGO 
Ich danke Euer Gnaden. 
Das Geräusch kommt immer näher. Fanfaren und Volksgeschrei 
Da sind die Abgesandten. Ihr empfangt sie. 
Doch um Verdacht zu meiden, 
Muss Desdemona sich den Herren zeigen. 

OTHELLO. 
Ja, sie soll kommen. 

Jago ab durch die linke Tür. Othello wendet sich dem Hintergrunde zu, um die Gesandten zu empfangen 


SIEBENTE SZENE 
Othello, Lodovico, Rodrigo, der Herold. Würdenträger der Republik Venedig. - Edelleute und Damen. - Soldaten. - Trompeter im Hintergrunde. - Dann Jago mit Desdemona und Emilia, von der Linken 

LODOVICO 
eine Pergamentrolle haltend 
Die Republik Venedigt entbietet ihren Gruss 
Dem tapfern Helden von Zypern. 
Lasst mich in Eure Hände legen 
Des Dogen Befehl. 

OTHELLO 
nimmt das Schreiben und küsst das Siegel 
Gehorsam küss ich das Siegel 
Seiner Herrlichkeit. 

Erbricht das Siegel und liest 

LODOVICO 
geht auf Desdemona zu 
Der Himmel. 
Edle Dame, beschütz' Euch! 

DESDEMONA. 
Er sei mir gnädig. 

EMILIA 
beiseite zu Desdemona 
(Ihr blickt so traurig! 

DESDEMONA 
beiseite zu Emilia 
(Ein finstrer Geist, 
Emilia, verhüllt die Seel' Othellos 
Und mein Schicksal.) 

JAGO 
an Lodovico herantretend 
Es freut mich, Euch wieder hier zu sehen. 

Lodovico, Desdemona und Jago plaudern zusammen 

LODOVICO 
Jago, was gibt es Neues? ... 
Doch ich vermisse unsern Cassio. 

JAGO 
Othello liess ihn fallen. 

DESDEMONA 
Er hebt in Gnad' ihn wieder auf. 

OTHELLO 
während des Lesens, heftig zu Desdemona 
Seid Ihr des sicher? 

DESDEMONA 
Wie sagt Ihr? 

LODOVICO 
Er liest nur, spricht zu Euch nicht. 

JAGO 
's ist möglich, dass er ihm verzeiht. 

DESDEMONA 
Das hoff' ich, Jago. Du weisst, 
Wie sehr ich Cassio schätz' und liebe ... 

OTHELLO 
immer noch lesend, aber fieberhaft aufgeregt, leise zu Desdemona 
Bewahrt Eure geschwätzige Zunge! ... 

DESDEMONA 
O begnadigt ihn doch! ... 

OTHELLO 
auf Desdemona losspringend 
Du Teufel, schweige!! 

LODOVICO 
Othello zurückhaltend 
Haltet! 

ALLE 
O Grauen! 

LODOVICO 
Kaum wag' ich zu denken, dass wahr, 
Was ich gesehen. 

OTHELLO 
plötzlich gebieterisch zu dem Herold 
Man hole Cassio. 

Der Herold ab 

JAGO 
schnell zu Othello gehend, mit leiser Stimme 
(Was wollt Ihr? 

OTHELLO 
zu Jago, leise 
Lass sie nicht aus den Augen!) 

LODOVICO 
Arme Gattin! 
Mit halber Stimme zu Jago, der sich etwas von Othello entfernt hat 
Das also ist der Held! Das jene Seele 
Voll erhabner Entwürfe? 

JAGO 
achselzuckend zu Lodovico 
Er ist, was er ist. 

LODOVICO 
Erklärt mir diese Rätsel! 

JAGO 
Ich schweige lieber von diesen Dingen. 


ACHTE SZENE 
Cassio, von dem Herold begleitet, und die Vorigen 

OTHELLO 
der immer nach der Tür gesehen hat 
(Sieh da! Er kommt! 
zu Jago, während Cassio den Saal betritt 
Erforsche seine Seele!) 

OTHELLO 
mit lauter Stimme zu allen 
Ihr Herrn! der Doge ... 
rasch, aber leise zu Desdemona 
- (du verstellst dich trefflich) 
Ruft ab mich nach Venedig. 

RODRIGO 
(Wie ungelegen!) 

OTHELLO 
fährt mit lauter und befehlender Stimme fort 
An meiner Statt herrscht künftig hier, 
Der neben mir der Fahne diente: Cassio. 

JAGO 
in heftiger Überraschung 
(Tod und Verdammnis!) 

OTHELLO 
fährt wie oben fort und zeigt das Pergament vor 
So befiehlt der Doge, der mein Gebieter. 

CASSIO 
verbeugt sich vor Othello 
Ich folge gerne. 

OTHELLO 
schnell zu Jago, heimlich auf Cassio deutend 
(Siehst du? Nicht scheint erfreut der Frevler. 

JAGO 
Nein.) 

OTHELLO 
laut zu allen 
Die Mannschaft, 
Besatzung ... 
leise und sehr schnell zu Desdemona 
- (Nun schluchz' und heule weiter! ...) 
laut zu allen, ohne Cassio wieder anzusehen 
Wie das Schloss, die Schiffe, tret' ich ab 
Dem neuen Feldherrn. 

LODOVICO 
zu Othello, auf Desdemona deutend, die sich demütig nähert 
Othello, tröste sie, 
Willst du ihr Herz nicht brechen. 

OTHELLO 
zu Lodovico und Desdemona 
Wir wollen morgen segeln. 
er packt Desdemona wütend an 
Zu Boden! ... Da heule! ... 

Desdemona fällt nieder. Emilia und Lodovico heben sie auf und leisten ihr mitleidig Beistand 

DESDEMONA 
Am Boden! ... Ja ... 
Zum Tod getroffen ... Im Staub ... 
Vergeh' ich ... weine ... 
Es bricht mein armes Herz ... 
Und Schauder fasst mich an. 
Ein Rosenlenz der Liebe 
Erblühte meinem Hoffen, 
Doch, ach, wie bald 
Verwelkte dieser Frühling dann! 
O Sonne, holdes Himmelslicht, 
Was willst du noch mir scheinen? 
Kein Strahl, der neues Leben 
Den welken Blüten geben kann. 

EMILIA 
(Wie viel vermag die Dulderin 
Still und gefasst zu tragen! 
In ihrer Unschuld frommen Sinn 
Schleicht der Hass nicht ein. 
Auch ihre Tränen wollen 
Nur klagen, nicht verklagen, 
Wer könnte ihr noch grollen, 
Hätt' er ein Herz von Stein?!) 

RODRIGO 
(Seh' ich des Lebens Sterne 
Im Nachtgewölk entfliehn? 
Fort muss in weite Ferne 
Mein blonder Engel ziehn.) 

CHOR 
in Gesprächsform, verschieden gruppiert 
O Gott! 
Ein Rätsel! 
Voll Angst und Grauen 
Muss ich erbeben, 
Was muss ich schauen 
Und was erleben? 
Weh mir, weh! 
Den schwarzen Unhold 
Muss jeder hassen, 
Nicht kann ich fassen, 
Was ich seh'! 
Das anzusehn! 
Ha, dieser Anblick! 
Wie unerträglich! 
Er starrt zu Boden unverwandt. 

JAGO 
nähert sich Othello, der ermattet auf einen Sessel gesunken ist 
Vergönnt ein Wort noch. 

OTHELLO 
Was ist? 

JAGO 
Beeilt Euch! Schleunig betreibt jetzt 
Eure Rache! Die Zeit ist kostbar. 

OTHELLO 
Ich will es. 

JAGO 
Nichts mehr von Zorn und Trauer 
Fort damit! Das Werk allein im Auge! 
Und nichts weiter! Ich denk' an Cassio 
Er büsst für seine Ränke. Schon freut 
Die Hölle sich auf seine Seele! 

OTHELLO 
Wer schickt hinab sie? 

JAGO 
Ich. 

OTHELLO 
Du? 

JAGO 
Ja, ich schwör's. 

OTHELLO 
So sei's! 

JAGO 
Ihr sollt in dieser Nacht noch von ihm hören ...! 

Er verlässt Othello und wendet sich zu Rodrigo 

JAGO 
ironisch zu Rodrigo 
Dein schöner Traum schwimmt morgen auf dem Wasser, 
Du aber bleibst im Trock'nen! 

RODRIGO 
Ich Armer! 

JAGO 
Dummkopf! 
Dem Kühnen hilft das Glück! Versuch's 
Und halte es fest am Zipfel, hör! 

CHOR 
Dann wieder wild dem Himmel droht er, 
Als träf' er ihn mit der geballten, dunkeln Hand. 
Dies Antlitz, heilig, sanft und reizend, 
Das weinend sich in Demut senkt! 
So mag die Trauer sein, 
Wenn dort der Engel Schar voll Weh 
Des Sünders tiefen Fall bedenkt. 

CASSIO 
(Ich fliege, gleich dem leichten Ball 
Von Schicksalshand geschlagen, 
Es reisst von meinem tiefen Fall 
Zur Höhe mich das Glück. 
Will sich die Nacht erhellen? 
Seh' ich den Morgen tagen? 
So steigt der Kamm der Wellen 
Und gleitet dann zurück.) 

LODOVICO 
(Ach, an den Leib der Reinen 
Wagt sich die Hand des Rohen! 
Sie hebt mit leisem Weinen 
Zum Himmel ihr Gesicht. 
Was reisst ihn fort zum Grimme? 
Grausam erscheint sein Drohen, 
Wohl fleht des Mitleids Stimme, 
Er aber hört sie nicht.) 

RODRIGO 
Ich höre. 

JAGO 
Das Schiff geht ab mit Tagesanbruch. 
Dann ist Cassio Herr. Doch wenn ein Unglück ihm begegnet, 
legt die Hand an den Degen 
So muss Othello bleiben. 

RODRIGO 
Ein traurig Licht in finstrer Nacht. 

JAGO 
Hand an den Degen! 
Im Dunkeln geb' ich acht auf seine Fährte, 
Und Zeit und Ort erspäh' ich. 
Dir bleibt der Rest, 
Dein Treiber bin ich. Wir jagen! jagen! 
Frisch auf den Anstand! 

RODRIGO 
Ehr' und Treu' verkauf ich dir. 

JAGO 
Glaub' an das Blendwerk! 
Schwach ist dein Witz, 
Und deiner Liebe Wahn verblendet dich! 
Lass von dem Lügengeiste nur dich lenken, 
Du meinst zu tun nach deinem Willen, 
Dein Wille, das bin ich. 

RODRIGO 
Der Würfel ist gefallen. 
Sonder Furcht und Bangen 
Seh' ich das Schicksal, 
Meiner wartend, nahn. 
Die Liebe will's, ihr geb' ich mich gefangen, 
Ein Stern des Todes leuchtet meiner Bahn. 

OTHELLO 
erhebt sich und wendet sich mit schrecklicher Gebärde gegen die Menge 
Entfliehet! 

ALLE 
Gott! 

OTHELLO 
auf die Versammlung losstürzend 
Entweicht dem Zorn Othellos. 

Fanfaren hinter der Szene 

JAGO 
zu den Umstehenden 
Ein wunderlicher Anfall raubt 
Ihm seine Sinne. 

OTHELLO 
mit Nachdruck 
Den, der nicht weicht, 
Behandl' ich als Rebellen! 

LODOVICO 
sucht Desdemona wegzuführen 
Kommt mit mir ... 

STIMMEN 
von aussen 
Er lebe! 

DESDEMONA 
macht sich von Lodovico los und läuft auf Othello zu 
Mein Gatte! 

OTHELLO 
zu Desdemona 
Auf deine Seele Fluch und Verdammnis! 

ALLE 
laufen entsetzt davon 
O Gott! ... 

Desdemona geht ab, von Emilia und Lodovico geführt 


NEUNTE SZENE 
Othello und Jago allein 

OTHELLO 
in tiefster Niedergeschlagenheit 
Nur ich entflieh' mir nicht ... Blut! 
Ha, verdammt sei alles Denken! ... 
"Mir gefällt's nicht!" 
in Krämpfen taumelnd 
Vielleicht gepaart sie sehen! ... 
Das Taschentuch! ... Ach! ... 
fällt in Ohnmacht 

JAGO 
(Mein Gift tat seine Wirkung.) 

ZURUFE UND FANFAREN 
von aussen 
Heil Othello! 

JAGO 
auf die Zurufe hörend und dann den ohnmächtig hingestreckten Othello betrachtend 
Horch, die Siegesdrommete 
Bringt ihre letzten Grüsse. 
nach einer Pause 
Auf den Nacken des Siegers da 
Die Ferse könnt' ich setzen. 

ZURUFE UND FANFAREN 
etwas näher 
Heil Othello! Ehre 
Dem Löwen Venedigs! 

JAGO 
richtet sich mit der Gebärde eines schrecklichen Triumphes empor und zeigt auf den regungslosen Körper Othellos 
Da liegt der Löwe! ...



VIERTER AUFZUG 

Desdemonens Schlafgemach mit Bett, Betstuhl, Tisch, Spiegel und Sessel. Vor dem Madonnenbilde über dem Betstuhl brennt eine Ampel. Rechts eine Tür. Es ist Nacht. Auf dem Tisch eine Kerze 

ERSTE SZENE 
Desdemona. Emilia 

EMILIA 
Er ist besänftigt? 

DESDEMONA 
Ja, so scheint's. Ich soll 
Zur Ruhe mich begeben, soll 
Erwarten ihn ... Emilia, eine Bitte! 
Geh, lege mir aufs Bett das weisse Kleid, 
Das ich dereinst als Braut getragen. 
Emilia tut es 
Höre:Ist mir verhängt, vor dir zu sterben, sollst 
Du hüllen mich in eines dieser Tücher! 

EMILIA 
Was macht Ihr Euch für Sorgen! 

DESDEMONA 
indem sie sich mechanisch vor den Spiegel setzt 
Ach, ich bin traurig. Bei meiner Mutter 
Dient' einmal ein Mädchen, ein armes, 
Hübsches Kind, mit Namen Barbara, 
Die war verliebt, und treulos ward 
Ihr Schatz. Sie sang ein altes Liedchen: 
"Das Lied vom Weidenstrauch ..." 
zu Emilia 
- Komm und löse das Haar mir! - 
Und heute abend gedenk' ich plötzlich 
Wieder der längst vergessnen Weise: 
"Sie sass mit Leide 
Auf öder Heide, 
Sah vor sich nieder. 
O Weide, grüne Weide! 
Nicht andre Lieder 
Verlang' ich wieder, 
singet: Trauerweide, 
Mein Kranz, mein Brautgeschmeide!" ... 
- Beeile dich, bald wird Othello kommen! - 
"Das muntre Bächlein hemmt 
Mitleidig seinen Lauf 
In den beblümten Auen, 
Das Gras der Wiese fängt 
Die Tränen auf, 
Die von den Augen tauen. 
O Weide, grüne Weide! 
Ja singet: Trauerweide, 
Mein Kranz, mein Brautgeschmeide! 
Die Vöglein, die versteckt 
Im dunklen Haine, 
Lauschen dem süssen Singen, 
Der Klagelaut will auch 
Dem Felsgesteine 
Das harte Herz bezwingen." 
zu Emilia, indem sie einen Ring vom Finger streift 
- Leg' diesen Ring beiseite! - 
Ach, arme Barbara! Gewöhnlich schloss 
Ihr trauriges Liedchen mit folgendem Wort: 
"Er war geboren zu seinem Ruhme, 
Ich ihn zu lieben ..." 
sich unterbrechend 
- Was war das? Rief man nicht draussen? 
Emilia macht ein paar Schritte 
Still! Wer pocht dort an der Tür? 

EMILIA 
Der Wind nur. 

DESDEMONA 
"Ich, ihn zu lieben und zu sterben ..." 
Leb wohl, Emilia! Wie die Augen 
Mich brennen! Das bedeutet wohl Tränen. 
Gute Nacht denn! 
Sie umarmt Emilia 
Ach Emilia, lebe wohl! 
Emilia ab 


ZWEITE SZENE 
Desdemona allein 

DESDEMONA 
kniet im Betstuhl nieder 
Sei mir gegrüsst, Jungfrau Maria, du bist voller 
Gnaden, der Herr ist mit dir! Du bist gebenedeiet 
unter den Weibern, gebenedeiet ist die Frucht 
deines Leibes! 
Du neigst dich dem, der fleht mit frommem Munde, 
Und nimmst die Schwachen auf in dein Erbarmen! 
Du bist die Zuversicht der Reichen wie der Armen, 
Stillest die Schmerzen, heilest jede Wunde! 
Bitte für alle, die grambeladen 
Dich suchen auf des Lebens dunkeln Pfaden! 
Für uns, o Hort der Gnaden, 
Bitte du immer, bitte du heute wie in des Todes Stunde! 
Bitte für uns, für uns! 
Sie kniet noch eine Weile und legt die Stirn auf das Pult, als ob sie das Gebet im stillen wiederhole. Nur die ersten und letzten Worte desselben sind zu hören 
Sei mir gegrüsst ... 
. . . . . . . 
. . . . . . . 
... in des Todes Stunde! 
Amen. 

Sie erhebt sich und geht zu Bette 


DRITTE SZENE 
Desdemona. Othello 

Othello tritt durch eine geheime Tür ein, legt den Säbel auf den Tisch, verweilt vor dem Licht, unschlüssig, ob er es auslöschen soll oder nicht. Er erblickt Desdemona. Er bläst das Licht aus die Bühne wird allein von der ewigen Lampe erleuchtet. Othello geht wütend auf das Bett los; dort aber bleibt er stehen. Lange betrachtet er die schlafende Desdemona. Er küsst sie dreimal. Beim letzten Kusse richtet sich Desdemona auf 

DESDEMONA 
…Wer ist da? Othello? 

OTHELLO 
Ja. Du hast doch heute abend 
Zu Nacht gebetet? 

DESDEMONA 
Ich tat's. 

OTHELLO 
Wenn ein Vergehen noch ungesühnt 
Du gelassen, dann sieh zu, 
Dass schnell Vergebung du erflehest. 

DESDEMONA 
Warum? 

OTHELLO 
Beeile dich! Nicht gern in deinen Sünden 
Tötet' ich dich. 

DESDEMONA 
Du sprichst von Töten? 

OTHELLO 
Ja. 

DESDEMONA 
Barmherzigkeit, mein Gott! 

OTHELLO 
Amen. 

DESDEMONA 
Erbarmen, Erbarmen hab' auch du! 

OTHELLO 
Denk' deiner Sünden! 

DESDEMONA 
Die Lieb' ist mein Vergehn. 

OTHELLO 
Um Liebe stirbst du. 

DESDEMONA 
Du willst mich darum töten? ... 

OTHELLO 
Cassio liebst du. 

DESDEMONA 
Beim ew'gen Heile, nein! 

OTHELLO 
Das Taschentuch 
Von mir hast du gegeben ihm. 

DESDEMONA 
Nein, niemals! 

OTHELLO 
Ich sah's in seinen Händen. 

DESDEMONA 
Ich bin schuldlos! 


OTHELLO 
Gesteh'! 

DESDEMONA 
Ich schwör' es. 

OTHELLO 
Hüte dich vor Meineid ... 
Wisse: du liegst auf deinem Totenbette. 

DESDEMONA 
Zu sterben nicht. 

OTHELLO 
Sogleich zu sterben. 

DESDEMONA 
Hilfe! Nicht lieb' ich Cassio ... 
Lass kommen ihn und sprechen. 

OTHELLO 
Nie spricht er wieder. 

DESDEMONA 
Himmel! Tot! 

OTHELLO 
Tot. 

DESDEMONA 
Verraten, ha, verloren! 

OTHELLO 
Ihn noch beweinen? 

DESDEMONA 
Verstoss mich, aber töt' mich nicht! 

OTHELLO 
Vergebens ist dein Flehen. 

DESDEMONA 
O lass das Leben mir ... 

OTHELLO 
Nein! Nieder mit dir, du feile Dirne! 

DESDEMONA 
O hör'! 

OTHELLO 
Nichts mehr. 

DESDEMONA 
Lass mich die Nacht noch leben ... 

OTHELLO 
Nein! 

DESDEMONA 
Ein Stündchen ... 

OTHELLO 
Nein! 

DESDEMONA 
Zwei Minuten. 

OTHELLO 
Nein! 

DESDEMONA 
So lang' ich bete. 

OTHELLO 
Zu spät ist's. 

Er erdrosselt sie. Desdemona stösst einen Schrei aus. - Es klopft an der Tür 

OTHELLO 
den regungslosen Körper der Desdemona betrachtend 
Still, still wie das Grab. 

EMILIA 
von aussen 
Ach öffnet! 

OTHELLO 
umhertaumelnd 
Wer da? Wer klopft? 

EMILIA 
wie oben 
O Herr, ich bitte Euch, 
Ich muss Euch etwas sagen, öffnet! 

OTHELLO 
die Tür aufschliessend 
Emilia! 
Was gibt's? 

EMILIA 
tritt ein 
Ein Unglück. Cassio erschlug Rodrigo. 

OTHELLO 
Und Cassio? 

EMILIA 
Lebt. 

OTHELLO 
Er lebt noch, ha!! 

DESDEMONA 
vom Bett aus 
Unschuldig 
Bin ich ... unschuldig hingemordet ... 

EMILIA 
läuft an das Bett 
Wer seufzte dort? O Grau'n! 

DESDEMONA 
Ich sterbe schuldlos ... 

EMILIA 
O Gott! Wer tat es? Wer? 

DESDEMONA 
Ich weiss nicht.. Ich selber ... 
Meinen guten Herrn sollst du mir grüssen. 
Ich sterbe schuldlos ... Ich sterbe! 

Stirbt 

OTHELLO 
Sie hat gelogen! Ich vollbracht' es. 

EMILIA 
Dann weh dir, Mörder! 

OTHELLO 
Cassios Geliebte war sie; 
Von Jago hört' ich's. 

EMILIA 
Von Jago? 

OTHELLO 
Von Jago! 

EMILIA 
Tor!! Dass du ihm glaubtest! 

OTHELLO 
auf Emilia losfahrend 
Du wagst zu leugnen? 

EMILIA. 
Ich wag' es. 

OTHELLO 
er ergreift sie 
Warte! 

EMILIA 
Holla! Zu Hilfe! Zu Hilfe, 
Othello tötet Desdemona! 

Sie macht sich los und läuft mit verzweifeltem Geschrei zur Tür 


VIERTE SZENE 
Othello, Emilia, Lodovico, Cassio, Jago, Später Montano mit Bewaffneten 

ALLE 
ausser Othello und Emilia 
Welch Schrei'n! Entsetzlich! O Grauen! 

EMILIA 
zu Jago 
Jago, 
Bezeug' es dem niedrigen Mörder: Hast 
Geglaubt du, Desdemona sei untreu? 

JAGO 
Ich hab's geglaubt. 

OTHELLO 
Denn jenes Tuch, das ich ihr einstens schenkte, 
Hat Cassio sie gegeben. 

EMILIA 
All ihr ew'gen Mächte! 

JAGO 
zu Emilia 
Schweige! 

EMILIA 
Nein, ich entdecke alles! 

JAGO 
Schweige! 

EMILIA 
Nein. Aus meinen Händen hat 
Er jenes Tuch gewaltsam mir entrissen. 

CASSIO 
Ich fand's in meiner Wohnung und steckt' es ein. 

MONTANO 
tritt ein und zeigt auf Jago 
Im Tode hat Rodrigo mir enthüllt 
Jenes Mannes schändliche Ränke! 

OTHELLO 
Rechtfert'ge dich! 

JAGO 
entflieht 
Nein. 

LODOVICO 
Haltet! 

MONTANO 
Verfolgt ihn! 

Mehrere eilen Jago nach 

ALLE 
Greift den Bösewicht! 

OTHELLO 
stürzt an den Tisch, nach dem Säbel 
Und schlägt kein Blitz vom Himmel drein? 

LODOVICO 
Mir dieses Schwert! 

OTHELLO 
Du wagst es?! - Jeder Knabe 
Kann mir mein Schwert entreissen. 
Das ist das Ende der Heldenbahn. 
O Ehre! Othello war! 
Er lässt den Säbel fallen. Tritt ans Bett und blickt Desdemona an 
Und du! ... wie bist du bleich, mein Lieb! 
Wie müde, wie schweigsam und wie 
Reizend! Armes Geschöpf, 
Geboren unter Unglückssternen, kalt, 
Liebliches Kind, als wie die Keuschheit, 
Gingst zum Himmel du. 
O Desdemona! Desdemona! ... 
Mein süsses, totes Liebchen! 
Heimlich einen Dolch hervorziehend 
Ich folge dir! 

Ersticht sich 

CASSIO 
Ach haltet! 

ALLE 
Unglücksel'ger! 

OTHELLO 
Eh' ich den Tod dir gab, Geliebte, 
Küsst' ich dich, und nun im Sterben ... 
Schon sinkt die Nacht hernieder ... 
Noch einmal küss' ich dich wieder! 

Stirbt

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