Discipulus (ein junger Schüler - der Jüngling) aus der Sammlung Gesta Romanorum. Übersetzung von Johann Georg Theodor Gräße
Alsbald ließ er einen Scheiterhaufen erbauen, allein während man noch damit beschäftigt war, den selben aufzurichten um den Körper darauf zu legen, kam ein junger Schüler des Arztes dazu, der jedoch, was sein Genie anging, ein Greis zu seyn schien. Als dieser den schönen Leichnam auf dem Scheiterhaufen liegen sah, erblickte ihn auch sein Meister und sprach zu ihm: Du kommst zur guten Stunde, denn eben wartete ich auf Dich: nimm diese Flasche mit Salbe und gieße sie, was das Letzte bei dem Begräbniß ist, über den Leichnam. Also trat der Jüngling zu dem Leichnam und zog dessen Gewänder weg, und goß mit seiner Hand die Salbe über den ganzen Körper, fühlte aber dabei Leben am Herzen desselben. Der Jüngling erstaunte, fühlte den Puls, und entdeckte Lebenszeichen; prüfte hierauf die Nasenlöcher und legte seine Lippen auf den Mund des Leichnams und entdeckte Leben, welches noch mit dem Tode rang; hierauf sprach er also zu den Dienern: stecket langsam Fackeln an diese vier Enden, nehmt Euch aber in Acht. Als hierauf das Blut, welches erstarrt war, flüssig ward, und dieses der Jüngling gewahr wurde, sprach er zu seinem Meister: das Frauenzimmer, welches Du für todt hältst, lebt, und ich will, damit Du mir Glauben beimissest, Dir solches durch einen Versuch beweisen. Als er so gesprochen hatte, hob er die Prinzessin auf und trug sie in sein Schlafzimmer, und legte ihr heißes Oel auf die Brust; hierauf feuchtete er Wolle an und legte sie auf ihren Körper, so daß das Blut, welches innerlich erstarrt war, durch die Wärme wieder zum Fließen kam und der Athem anfing durch ihr Mark zu ziehen; hierauf öffnete er ihr die Adern, sie schlug die Augen auf, holte Athem und sprach, indem sie wieder zu sich kam: wer bist Du? berühre mich nicht anders, als es sich geziemt, denn ich bin Gemahlin eines Königs. Als das der Jüngling hörte, ward er voller Freude, begab sich in das Zimmer seines Meisters und sprach zu ihm: siehe, Meister, das Frauenzimmer lebt. Der aber sprach: ich bin mit Deiner Erfahrung zufrieden, lobe Deine Kunst, bewundere Deine Klugheit. Höre von jetzt an sorgfältig auf meinen Rath: sey nie undankbar gegen Deine Kunst. Empfange hier Deinen Lohn, denn dieses Frauenzimmer hat eine große Summe Geldes bei sich gehabt; hierauf befahl er sie mit frischen Kleidern, gesunden Speisen und den besten Stärkungsmitteln zu laben, und nach wenigen Tagen, als er erfahren hatte, daß sie aus königlichem Blute entsprossen sey, rief er seine Freunde zu sich und nahm sie an Kindesstatt an.
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